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Nick Titz 2002

Prof. Nick Titz zur Eröffnung der Ausstellung „Vom Figuralen zum Abstrakten und wieder zurück“, am 8. Oktober 2002 in der Galerie M-Art, Wien, Börseplatz.

Ausstellungen sind Kommunikationsplattformen:
Kunst zu diskutieren
Kunst zu erleben
Kunst zum Angreifen – man muss nicht unbedingt die Standfestigkeit testen
Und auch um Kunst anzugreifen, soweit es der ausstellende Künstler halt zulässt.


„Kunst ist eine Harmonie parallel zur Natur“ (Paul Cezanne)
„Bilder sind selbstständige Organismen aus Linien, Farben und Flächen“ (Ernst Ludwig Kirchner)

„Bilder und Skulpturen sind Gleichnisse und nicht Abbildungen“ ( E. L. Kirchner). Der „Kapuzenmann“ steht also anonym für eine menschliche Haltung.

Marina Seiller Nedkoff´s Bilder führen den aufmerksamen Betrachter in ihre Welt des Erlebens, Einfühlens und Sehens.

Es ist eine Welt der Einkehr, der Meditation und Kontemplation – und weil Übersinnliches eine Suggestivkraft hat, wird der, der ihren Gedanken folgt, dazu verführt, eine eigene, nicht nachbildbare Wirklichkeit entstehen zu lassen.

Ich frage mich an dieser Stelle: Laufe ich hier in meiner Betrachtung in Gedankengänge der Ideologie der „Schule des Sehens“ eines Oskar

Kokoschka ? Oder ist es etwa eine Form der „Seelen vibration“, wie Kandinski formulierte, die mich beim Betrachten der Arbeiten von Marina Seiller Nedkoff überkommt ?.

Jedenfalls bin ich sicher, dass die Bilder und Werke dieser Ausstellung die Sinne fordert und mich zum Dialog auffordern, um den Code zu dechiffrieren, der ihnen innnewohnt.

Die Künstlerin- still, bescheiden, in Gesellschaft meist nur beobachtend, erst bei einem guten Glas Rotwein und einer Zigarette zu durchaus impulsiven Gespräch bereit - findet in den letzten Jahren immer mehr ihren künstlerischen Weg bestätigt. Die vielen, früher hart erkämpften Ausstellungen gehen mehr und mehr in Richtung echten Erfolges nicht nur bei Galeristen, sondern auch beim Publikum, auch beim kaufenden Besucher: Denn auch Kunst braucht Brot !

Hier hätte ich mir Applaus der anwesenden Künstlerkollegen erwartet. Also stimmen Sie mir bitte zu !

Marina Seiller Nedkoff ist nicht immer diesseits der Träume. Ein Realitätssinn ist zwar nicht zu verleugnen, doch – wenn ich ihre Bildsprache richtig lese, ihren Code richtig deute, widerspiegeln ihre Arbeiten dich Sehnsüchte, Wünsche und Achtsamkeiten.

Da ist offensichtlich die Forderung nach „Wahrheit des Momentes“, wie das in den Figuren mit beweglichen, losen Köpfen zum Ausdruck kommt, oder wie sie in Figuren den Körper teilt, ihn kipp- und drehbar macht.

Da ist offensichtlich die Forderung nach „Schönheit“, die sie nachrangig der Wahrheit sieht, da sehr oft das Natürliche fehlt, welche in der Überlagerung der reinen Farben zum Ausdruck kommt.

Da ist offensichtlich die Forderung nach Gewaltlosigkeit, wozu sie aufruft – durch Erkennen der Pressionen, denen ihre Figuren in Bild und Skulptur ausgesetzt sind. Diese Figuren haben eine Körpersprache, die es zu deuten gibt. Und es nicht nur Sinnlichkeit, die die Verrenkung zeigt, sondern Angriff-Abwehr, Angst vor Aggression und dergleichen.

Die Kunst von Heute steht auf dem Prüfstand ! Weil ein Bedarf – ich will sagen, ein Markt – für „Lebenshilfe“-Kunst besteht, darf sich ein Künstler nicht zum Betroffenheitsmacher entwickeln. Das reicht nicht.

Kunst darf auch nicht zur „Nützlichkeitskunst“ werden, obwohl die Forderung in Krisenzeiten immer lauter wird, dass sich die Kunst nicht nur als höheres Unterhaltungsmedium verstehen dürfe. Natürlich muss Kunst auch den Menschen als sozial höchst gefährdetes Wesen sehen, dass vom aussterben bedroht ist und auf die „Rote Liste“ der Biologen gehört. In Zeiten wie diesen ist eine Rückentwicklung zum „Homo errectus“ mit der Keule in der Hand durchaus vorstellbar. Der „Homo socialis“ ist in weiter Ferne.

Kunst muss auf gesellschaftliche Entwicklungen, auf die globalen Bedrohungen reagieren, aber keinesfalls darf sie dabei im Elfenbeinturm des Abstrakten und Weltfernen agieren, wo sie zum ästhetisch – intellektuellen Vergnügungssport elitär sich wähnender Gruppen mutiert und damit selbst degradiert.

Ein predigender Künstler erkennt meistens selber seine Lächerlichkeit nicht – aber die Realitätsfront der heutigen Zeit darf auch am Kunstschaffen, ihren Inhalten, Konfrontationen nicht spurlos vorüberziehen.

Marina, ich glaube, Du bist auf dem besten Wege: Eine Künstlerin, die den Mut zur wirklichen Aussage hat und dabei nicht vergisst, dass auch der einfache Mensch diese bildhafte Sprache versteht, weil künstlerisches Schaffen durch alle gesellschaftlichen Bereiche gehen und wahrgenommen werden soll.

Dies ist mein Credo zu Kunst und Kultur – und hier sehe ich die Seelenverwandtschaft zu Dir.

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